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Digital Storytelling in den Spatial Humanities

Einführung

Die Stadt Mainz steht im Jahr 2023 vor einem kleinen Jubiläum: Im Juli des Jahres 1793 endete die Belagerung der Stadt nach der Eroberung durch deutsche Truppen. Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums gab es eine Ausstellung zum Thema der Belagerung von Mainz im Landesmuseum in Mainz. In diesem Jahr steht nun das 230. Jubiläum an und mittlerweile gibt es Möglichkeiten, sich mit diesem Themenkomplex auseinander zu setzen, ohne dabei das Museum zu betreten. Dazu zählen beispielsweise die webbasierten Projekte Festung Mainz und Die Mainzer Republik, die Interessierten auf einer Webseite Aspekte der Stadtgeschichte aufzeigen und dabei auch die Belagerung von Mainz thematisieren. Auf diese Internetseiten kann zwar prinzipiell von überall zugegriffen werden, jedoch gibt es aktuell keinen Ansatz, der versucht, die Belagerung in einem interaktiven Rahmen außerhalb der Museumsmauern anzubieten. An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an. Es soll geprüft werden, inwieweit es möglich ist, die Belagerung der Stadt durch deutsche Truppen mit Hilfe von mobiler Technologie im Raum zu erfahren. Das Thema ist historisch äußerst komplex, da sich in Mainz nicht nur viele Interessensgruppen, sondern politische Systeme gegenüberstanden. Deswegen soll ein Teilaspekt der Belagerung in den Fokus dieser Arbeit rücken. Hier bietet sich der Kriegsbericht von Johann Wolfgang von Goethe an. Dieser Bericht soll in einem Geoinformationssystem nutzbar gemacht werden, um die Datenprodukte in eine Web-Karte zu exportieren. Diese Web-Karte soll dann über eine mobile App genutzt werden können, um Interessierten einen neuen Ansatz zur Erforschung der Belagerung von Mainz zu liefern. Die Form der Datenbereitstellung wird als Geostorytelling beschrieben, da der historische Ort in Verbindung mit multimedialen Inhalten eine neue Form des historischen Erlebnisses darstellt. Da ein solcher Ansatz bis jetzt in der Auseinandersetzung mit der Belagerung von Mainz noch nicht verfolgt worden ist, soll die vorliegende Masterarbeit versuchen diese Lücke zu schließen.



Thema:

Digital Storytelling in den Spatial Humanities. Die Belagerung von Mainz 1793 aus der Perspektive von Johann Wolfgang von Goethe.

Fragestellung:

Ist es möglich, aus Goethes Textquelle "Belagerung von Maynz" räumliche Informationen zu extrahieren, um diese dann mittels Geostorytelling zu präsentieren?

Software:

QGIS wurde zur Erstellung der Datenprodukte genutzt. Die webbasierte Kartenerstellungssoftware ESRI ArcGIS Online wurde bei der Modellierung der Datenprodukte und der Erstellung einer Web-Karte eingesetzt. Die mobile Nutzung der Web-Karte ermöglicht die App ESRI ArcGIS Field Maps.


Methode

Forschungsmethode

Die Verwendung sowie die Erstellung von Karten erfordert die Nutzung von speziellen Methoden und Werkzeugen in den Spatial Humanities. Eine zentrale Komponente bei digitalen Visualisierungen sind Geografische Informationssysteme, kurz GIS. Ein GIS ermöglicht die Visualisierung, Analyse und Archivierung von raumbezogenen Daten und darüber hinaus von weiteren Kontexten, wie beispielsweise Bilder oder auch Texte. Die Umsetzung des Forschungsvorhabens bedeutet, dass unterschiedliche Methoden und Arbeitsschritte ineinander greifen müssen. Die Informationen aus dem Bericht von Goethe sollen in Datentabellen übertragen werden. Die Übertragung von der Quelle bzw. den Rohdaten in eine, für ein Geoinformationssystem verarbeitbare, Datentabelle wird auch als Datenmigration bezeichnet. Neben der Strukturierung der Daten erfolgt dabei eine Abstraktion, der in den Rohdaten enthaltenen Informationen, auf einen spezifischen Datentyp.

Um den Informationen aus den Datentabellen reale Orte zuzuweisen, ist es wichtig, historische Karten zu verwenden. Damit diese in einem Geoinformationssystem nutzbar sind, müssen sie eine Georeferenzierung durchlaufen. Eine Georeferenzierung beschreibt den Prozess der Verortung von Objekten im geometrischen Raum. Dabei werden eine Karte oder ein Bild durch die Zuordnung von Koordinatenwerten in ein geografisches Referenzsystem transformiert, um so einen geografischen Kontext herzustellen. Bei der Auseinandersetzung mit historischen Karten ist die Georeferenzierung ein essentieller Schritt, um Karten in GIS-Umgebungen nutzbar zu machen. Dabei soll eine Georeferenzierung die optische Verzerrung der Karte möglichst gut ausgleichen. Der Prozess der Georeferenzierung besteht aus zwei wichtigen Schritten, dem Sammeln von Ground Control Points und der Wahl des Transformationstyps. Bei der Auswahl von Ground Control Points werden Punkte auf einer historischen Karte markiert und mit einem Punkt auf der Zielkarte verknüpft. So entsteht ein Passpunkt-Paar. Dabei ist es sinnvoll, die Passpunkt-Paare möglichst gleichmäßig auf der historischen Karte zu setzen. Anschließend muss der Transformationstyp festgelegt werden und für dieses Projekt wurde der Typ Thin Plate Spline gewählt. Dieser Transformationstyp eignet sich besonders gut für historische Karten. Als Ziel-Koordinatenbezugssystem für die georeferenzierten Karten wurde EPSG:25832 gewählt, welches sich gut für das untersuchte Gebiet eignet. Die gewählte Abtastmethode war „Nächster Nachbar“, da die Karte keine Höhenwerte enthielt, die erhalten bleiben mussten und aus diesem Grund konnte die Abtastmethode mit der geringsten Rechenzeit ausgewählt werden.

Nachdem historische Karten in einem Geoinformationssystem nutzbar gemacht wurden, können die Informationen aus den Datentabellen verortet werden. Aus den georeferenzierten historischen Karten werden durch eine digitale Umzeichnung, die visuelle Vektorisierung, selektive Informationen in einen neuen Vektor-Layer extrahiert. Die geographischen Angaben, die daraus entstehen, werden wiederum in den Datentabellen festgehalten. Nachdem die Datentabellen auf diese Weise vervollständigt wurden, werden diese im nächsten Schritt im Geoinformationssystem visualisiert. Die Daten bzw. die Informationen, die in dem Bericht Goethes enthalten sind, eignen sich für die Informationsvisualisierung, da die Datengrundlage reichhaltig und komplex ist. Bei der Visualisierung der Daten, die aus Goethes Kriegsbericht gewonnen wurden, handelt es sich prinzipiell um eine Objektkartierung. Dies bedeutet, dass die Angaben aus Goethes Bericht und nicht zuletzt die Person Goethes im Fokus des Visualisierungsprozesses stehen. Trotzdem sollen die Zeitangaben aus dem Quelltext auch in die Datenprodukte einfließen und ihnen eine zeitliche Komponente verleihen. Es handelt sich zudem um eine analytische Form der Datenvisualisierung, da die visuelle Darstellung der Daten aktiv in den Erkenntnisprozess mit einbezogen und dabei komplex mit ihm verwoben ist. Die Informationsvisualisierung wird also als analytisches Werkzeug gebraucht. Im Zuge des Imports in ein webbasiertes Geoinformationssystem werden aus den Datenprodukten Informationspunkte.



GrafikSIPs

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ERGEBNIS

Forschungsergebnis

Bei den entstandenen Raumdaten handelt es sich um sekundäre Geodaten, da die räumliche Verortung der Sachdaten im Zuge dieses Projekts manuell vorgenommen wurde. Die geometrischen Angaben zu den Sachdaten wurden im Verlaufe des Projekts erstellt. So konnte aus den Sachdaten, die Goethes Kriegsbericht darstellten, ein Geodatensatz erschaffen werden, der einen eindeutigen Raumbezug aufweist. Der Ergebnisdatensatz besteht aus den erschaffenen Datentabellen, die im Datenarchiv unter Eigene Daten aufgelistet sind. Die Datentabellen enthalten sowohl die auf ihren Raumbezug reduzierten Sachdaten aus Goethes Bericht als auch einen geographischen Bezug. Zusätzlich enthält das Datenarchiv unter Ergebnisdatensatz die Shapedatei-Exporte aus QGIS, welche direkt im GIS nutzbar sind und so eine schnelle Auseinandersetzung mit den Daten erlauben. Der interoperable Datensatz stellt eine Neuheit in der stadthistorischen Auseinandersetzung mit der Belagerung aus dem Jahre 1793 dar, da die konkrete Verortung von Goethes Bericht noch nicht vorgenommen wurde. Damit ist der Datensatz sowohl für die Stadt- und Regionalgeschichte als auch für die Goethe-Forschung interessant. Auf der Grundlage des Ergebnisdatensatzes konnte zusätzlich eine Deep-Map in ArcGIS Online modelliert werden. Die Web-Karte kann über eine kostenlose mobile App aufgerufen und genutzt werden. So wird der historische Raum mit Archivmaterial verbunden und schafft eine neue Möglichkeit, sich mit dem historischen Themenkomplex zu befassen. Die Erkundung des Raums kann individuellen Präferenzen folgen, da die Datenprodukte ohne Einschränkungen genutzt werden können. Trotzdem wurde, in Anlehnung an die Römerroute, ein Geschichtspfad erstellt, um Interessierten einen Teil der Daten in geführter Form anzubieten. Die Web-Karte bietet somit eine Form des Geostorytellings. Die Interaktion des Nutzenden mit den Datenprodukten in der Field Maps-App kann dabei helfen, das Verständnis von Karten zu steigern und trägt damit zur Verbesserung der Data Literacy bei.

Die Ergebnisse dieses Projekts sind für die Entwicklung von Werkzeugen und Praktiken der lokalen historischen und literarischen Bildung, mit Hilfe der Verwendung von Standortbezogenen Informationspunkten, von Bedeutung. Die SIPs ermöglichen es dem Benutzenden zeitliche, räumliche und thematische Verbindungen zwischen Objekten herzustellen. Aufgrund der Hervorhebung des Zusammenhanges zwischen den verschiedenen Daten, stellt dies eine Praxis zur Vermittlung zwischen den Daten und dem Nutzenden dar. Zudem sollen die Standortbezogenen Informationspunkte den Nutzenden dazu motivieren, das Material des kulturellen Erbes auf eine neue Art und Weise zu erforschen.



Diese Animationen wurden aus den verschiedenen Datenprodukten erstellt und verdeutlichen die zeitliche Komponente, welche ein wichtiger Aspekt dieses Projekts ist. Zudem ist sie ein Beispiel für die Vielseitigkeit des Datensatzes.



Das Video veranschaulicht die Möglichkeiten der Nutzung der Datenprodukte in der ArcGIS Field Map App von Esri.

Kontakt
Johannes Gutenberg-Universität:
Digitale Methodik in den Geistes- und Kulturwissenschaften
Yorrik Hubertus Sondermann
Digitale Methodik Fachschaft Uni Mainz
Email: ysonderm@students.uni-mainz.de
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